Über das Sein und den Schein….

20.9.2017

In diesem septemberlichen Blog Beitrag möchte ich mich mit den so unfassbar aktuellen Social Media Dingern befassen, also mit Youtube, Facebook, Twitter und wie sie alle heißen mögen.

Wann immer man mit Leuten spricht, die sich angeblich im Business auskennen, mit echten oder selbst ernannten Experten, mit Marketingleuten und dergleichen Volk, bekommt man als erstes zu hören, dass es ohne Social Media nicht geht und dass ein hoch professioneller Youtube Auftritt, ein Wahnsinns Video zu einem Song und/oder eine mächtig tolle Facebook Seite der allererste Schritt, wenn nicht gar der eigentliche Schlüssel zum Erfolg sind.

Keine Frage, ganz ohne diese modernen Dinger geht es nicht mehr. Die Entwicklung der letzten Jahre ist ohne Zweifel unumkehrbar. Ein Künstler, der seine Veranstaltungen nicht auf Facebook teilt, der keine Homepage unterhält und nicht gelegentlich auf Youtube auftaucht, ist so gut wie nicht vorhanden. Die potentiellen Konzertbesucher, die sich am Samstag Abend um 17 Uhr überlegen, wo sie denn heute hingehen möchten, schauen als erstes ins Internet, welches Konzert, welche Veranstaltung denn in ihrer Nähe bei leistbarem Eintritt zu besuchen wäre. Es werden kaum CD´s gekauft (höchstens bei Live Auftritten, zu denen die Leute wieder nur übers Internet kommen), Musik wird auf Spotify gehört und auf Itunes runtergeladen, und was der Musikkonsument hören wollen soll, erfährt er wiederum vor allem aus dem Internet, und hier über Facebook & Co. Die im Radio zu hörenden Künstler kommen fast alle aus den USA und werden kaum im lauschigen Club oder Musikcafé um die Ecke auftreten, abgesehen davon, dass für die meisten Künstler Airplay im Radio eine nahezu unerreichbare Sache ist, wenn sie nicht einen mächtigen Werbeapparat und entsprechendes Budget im Rücken haben, also eine potente Plattenfirma (die dann wiederum den ganzen Social Media Zinnober für sie erledigt…).

Also rein ins Internet und drauf los gepostet…. – sollte man meinen. Hauptsache die Facebook Seite sieht toll aus und Dein Youtube Kanal hat ein möglichst professionelles Intro, dann wird die Sache schon laufen und der Rubel rollen.

Wer ein wenig Einblick hat, weiß, dass mit den Werkzeugen, die schon ein durchschnittlicher Laptop zur Verfügung hat, so gut wie alles auf Hochglanz poliert werden kann. Ein geschickter Tontechniker mit halbwegs professionellem Equipment, das heutzutage auf jedem besserem Taschenrechner läuft und um erstaunlich wenig Geld zu bekommen ist, kann aus einer krächzenden Krähe ebenso eine trällernde Nachtigall zaubern wie ein geschickter Photoshop User aus einem hässlichen Entlein einen schillernden Schwan. Also auch hier, rein ins Vergnügen und los geht´s, und schon ist der Erfolg garantiert.

Aber ist das denn nun alles? Nun legt man also los, setzt sich an den Rechner und stellt fest, dass das alles so einfach nun doch wieder nicht ist. Auf den ersten Blick sind diese Werkzeuge wunderbar und supertoll, aber dann stellt man fest, dass man richtig viel Zeit investieren muss, um sie auch handhaben zu können, um zu lernen, wie man seine manchmal schiefe Stimme und immer krumme Nase gerade biegt, und das Ergebnis dann in der richtigen Facebook Gruppe an die richtigen Leute zu bringen. Und plötzlich ist man kein Songschreiber, kein Künstler mehr, sondern ein Techno- und Medien Freak, der alles andere macht, außer das, wofür er sich das alles eigentlich antut, nämlich Lieder schreiben und Musik machen…

Und somit sind wir auch beim Titel dieses Blog-Beitrags angelangt – dies alles dient doch nur dem Schein, und hat immer weniger mit dem zu tun, was wir sind. Was nutzt mir ein hochglanzpoliertes teuer produziertes Video, wenn darin von mir selbst nix mehr da ist, wenn mir bei  jedem Schritt den ich tue, ein Manager sagt, dass ich irgendwie anders schreiten soll, denn das „kommt besser“, und dies und jenes „geht gar nicht, weil die anderen machen es auch nicht..“, wenn ich bei jeder Äußerung und bei jeder Meinung drauf achten muß, ob sie den Regeln des Marketing entspricht? Da hätte ich wohl das mit dem Lieder schreiben bleiben lassen und gleich Politiker werden können. Am Ende ist es völlig egal, ob Deine eigentliche Arbeit, also Deine Songs, irgendeine Qualität und/oder eine Aussage haben, wenn es ausschließlich auf die Vermarktung ankommt. Scheißegal was und wie Du es machst, es muss nur im Netz gut verkauft werden….

Also ein zweischneidiges Schwert. Ohne geht es nicht, aber man darf sich auch nicht von den Möglichkeiten blenden lassen, denn am Ende wird man vielleicht scheinen, aber kaum noch etwas sein. Dies gilt wohl ebenso für die Künstler, die ihr Marketing selber machen müssen wie für die wenigen Privilegierten, die eine fette Plattenfirma hinter sich haben. Denn für die ist es wohl ebenso schwer, sich selbst treu zu bleiben, angesichts des Apparates dahinter, der durch Werbeeinnahmen aus Youtube Videos und Merchandizing Aktionen finanziert werden muss.

Keine Frage, man wird keinen für den Handel oder fürs Radio bestimmten Tonträger ohne professionelle Tools produzieren, so wie man heute seine Texte am Computer und nicht mit der Gänsekielfeder schreibt, aber man kann sich mal ruhig ans Klavier setzen und einen Song einfach nur so aufnehmen und sowohl sich selbst als auch das Lied einfach das sein lassen, was es ist, auch ohne fette Software und Hochglanzpolitur, wie im wirklichen Leben – in Hoffnung, dass sich doch der eine oder andere Zuhörer findet, der einen Song um seiner selbst willen und nicht um seiner Effekte willen schätzt –  denn ob er nur den lackierten Schein oder das echte Sein vorgesetzt bekommen will, das muss jeder für sich selbst entscheiden.

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